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Tollitäten machen ausgiebig Urlaub vom Alltag

Tollitäten machen ausgiebig Urlaub vom Alltag

Unterwegs mit dem Troisdorfer Dreigestirn: Prinz Claus, Bauer Thomas und Jungfrau Tomja eilen von Termin zu Termin - Jeckes Amt gönnt kaum Verschnaufpausen - Pulpo als ungekannte Energiequelle

Troisdorf. Um 6 Uhr, spätestens um 6.30 Uhr endet ihre Nacht. Der Wecker unterbricht gnadenlos den tiefen Schlummer, in den sie wenige Stunden zuvor gesunken sind. "Es gab Nächte, da haben wir gar nicht geschlafen", verrät Claus Dreser. Wir, das sind er und seine Freunde Thomas Schneider und Thomas Schrahe.

Unter diesen Namen kennt sie aber kaum noch jemand. Seit Januar erobern sie als Troisdorfer Dreigestirn die Herzen.

An Weiberfastnacht begann für Prinz Claus I., Bauer Thomas und Jungfrau Tomja die heiße Phase ihrer jecken Herrschaft.

"Treffen, 7.30 Uhr", heißt es beinahe täglich in ihrem vollen Terminkalender. Wenn Prinz, Bauer und Jungfrau zum Gefolge stoßen, sind sie bereits in voller Montur. "Unsere Adjutanten helfen uns beim Einkleiden", sagt der Prinz. Etwa 45 Minuten braucht Adjutant Willi Schrahe ehe sein Sohn, sprich seine Tochter, Tomja in Strumpfhosen und Kleid die güldene Krone auf das blonde Haupt setzen kann.

"Anfangs habe ich mich schminken lassen", verrät Tomja. Inzwischen weiß die holde Lieblichkeit sehr gut selbst mit Puder, Wimperntusche, Kajal- und Lippenstift umzugehen. Schließlich muss sie sich zwischen Auftritten immer wieder nachpudern oder den Lippenstift erneuern.

Um 8.15 Uhr nehmen die Tollitäten und ihre Helfer im Prinzenbus Platz. Koch Holger chauffiert sie zum ersten von insgesamt 16 Terminen an Weiberfastnacht. "Altenrather Kindergärten", nennt Prinzenführer Bernd Jordans die erste Etappe des Tages. Dort werden die närrischen Majestäten sehnsüchtig erwartet. Die kleine Prinzessin im hellblauen Kleid kann kaum den Blick von den staatsen Kerlen wenden.

Mit großen Augen folgt sie jeder ihrer Bewegungen, auch dann noch als die Mädchen und Jungen das Dreigestirn zum "Nasi-Nasi"-Tanz auffordern. Ein wenig schunkeln, drei Mal "Alaaf" und "Has Hüpp", Konfettiregen, Kamelle und die Narrenherrscher ziehen weiter. Ehe der jecke Zug in den nächsten Kindergarten einmarschiert, muss Koch Holger noch an den Prinzenwagen: Nachschub holen.

Nach zwei Stunden sitzen Prinz Claus, Bauer Thomas und Jungfrau Tomja wieder im Bus. Nächstes Ziel: Kindergarten Haus Sankt Michael. "Unser normaler Alltag existiert nicht mehr", erklären sie während der Fahrt. Die Tollitäten haben sich vom Privatleben verabschiedet.

Die Nächte verbringen sie im Hotel statt in den eigenen vier Wänden. "Wenn es geht, versuche ich zwischendurch zu Hause vorbeizuschauen", gesteht Regent Claus. Sonst sehe er seine Frau und die Söhne kaum.

"Jetzt müssen wir so richtig Gas geben", mahnt Prinz Claus vor dem Kindergarten Sankt Michael. Unter den Gastgebern ist nämlich ein ganz besonders kritischer Vertreter: Prinzensohn Tim. Der vier Jahre alte Indianer staunt nicht schlecht, als sein Vater im komischen Gewand vor ihm steht. Skeptisch beäugt er das Spektakel, das der Papa und seine Freunde veranstalten. Erst auf des Prinzens Arm ist sich Tim wirklich sicher: "Das ist mein Papi."

Wieder im Bus klingelt das Handy von Bauer Thomas. "Alles klar, könnt ihr so machen", legt er erleichtert auf. An diesem Tag läuft alles nach Plan in seinem Restaurant, der Hofburg. Zwei Ersatzköche halten im Schneider Junior die Küche warm, wenn der Chef sein jeckes Amt ausübt. Das war nicht immer so.

Ein Koch wurde krank, der andere hatte einen Unfall: "Da habe ich mir zwischen zwei Terminen die Schürze umgebunden und im vollen Ornat Steaks in die Pfanne geworfen", erinnert sich der kochende Bauer.

Auf die Kindergärten folgen an Weiberfastnacht Banken, Stadtwerke und am Nachmittag zieht es das Dreigestirn gar bis nach Neunkirchen-Seelscheid. "Da bleibt kaum Zeit zum Essen", sagt Jungfrau Tomja. Hier und da mal ein Brötchen, im Bus ein Käsespieß, mehr geht nicht. "19.30 Uhr, Damensitzung Bürgerhaus", heißt der erlösende letzte Punkt im Weiberfastnachts-Marathon. Anschließend geht es zum Ausklingen in die Hofburg.

Zwölf Stunden Einsatz nonstop haben ihre Spuren hinterlassen. Die Schminke der Jungfrau ist verschmiert, der Pfauenfedern-Hut hat die Frisur des Bauern zerstört, die Stimme des Prinzen versagt. Die drei sehnen sich nach ihrem Bett.

Doch vorher greifen sie noch zur ihrer Geheimwaffe gegen Müdigkeit: Pulpo. Trotz energiespendendem Tintenfisch zieht es die Majestäten dann doch ein paar Häuser weiter. Im Hotel erklimmen sie die Stufen und sinken erschöpft ins Reich der Träume. So lange bis am morgen wieder der Wecker klingelt und das Spiel von vorne beginnt. So lange bis Aschermittwoch ist.